Jeppe Aakjær (1866 – 1930)

 

Aakjærs bevorzugtes Sujet, sowohl in der Prosa als auch der Lyrik, war das Landleben, waren die weiten Heidelandschaften Jütlands, seine Helden waren Bauern, Knechte und Landarbeiter. Sein bedeutendster Roman „Vredens Børn“ („Die Kinder des Zorns“) von 1904 erregte, wie das vergleichbare und nahezu zeitgleich erschienene Buch Andersen Nexøs „Pelle Eroberen“, großes Aufsehen und gilt seither als Klassiker des Realismus und als Referenzwerk für alle sogenannte Bauern- oder Heimatliteratur, der auch Kirks Kollektivromane zuzuzählen sind. Kirk wurde nicht müde, die gemeinsamen Wertvorstellungen zu betonen (siehe unten) und damit auch die künstlerische Bedeutung für sein eigenes Schaffen.

Vielerorts wird man aber auch in der Sekundärliteratur Aakjærs Namen neben dem Kirks finden.

Jeppe Aakjær (1866 – 1930)

In seinem auf Deutsch bislang nicht zugänglichen Erinnerungsessay von 1955 schreibt Kirk voller Begeisterung:

„Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen seit Jeppe Aakjær starb, aber noch immer schimmert seine Dichtung so frisch wie Tau und noch immer lebt sein Gesang auf den Lippen des Volkes. Seit den großen Psalmendichtern hat kein Dichter größere Volksgunst genossen als dieser jütische Bauernsohn, der das alte mühsame Bauernleben schilderte, just in dem Moment, als es zu verschwinden begann, der die Sense besang, die Harke und den Dreschflegel, als die alten Werkzeuge von Mähmaschine, Mähbinder und Dreschmaschine abgelöst wurde.

O, Bonde med din Sædekurv
og i din grove Arbejdsdragt,
du tykkes mig i denne Stund
med selve Evighed i Pagt.
Imens du som en Offerpræst
henskrider tavs og alvorsfuld,
du signer med din højre Haand
den sorte grødesvangre Muld.

Wundervoll, sanft und stark sind diese Gedichte und hunderte andere, womit er unsere Literatur und unser Volksleben bereicherte. Die Freude an der Arbeit, die Schwermut der Heide, Respekt vor der ehrlichen Schufterei, Liebe zum Leben und zur Frau, Spott über Hochmut und Dummheit waren ihre Inhalte. Er hatte eine Gabe zum Kern vorzudringen und wenn er zuschlug, dann hatte er auch getroffen. …

Er hatte Romane und namentlich Novellen geschrieben, die voller Leben und Humor waren, und an denen man auch heute nicht rütteln kann. Er hat auch den Roman ‚Vredens Børn‘ geschrieben, der einer der schärfsten und schlagkräftigsten Gesellschaftsromane ist, die in Dänemark geschrieben wurden. Der beschäftigte sich mit Hausangestelltenverhältnissen, und die damalige Kritik war hart; er sei zu grob, zu künstlerisch unbeherrscht. Ja, das war er vielleicht, denn er war von einem ehrlichen und zornigen Mann geschrieben. Und er handelte von der menschlichen Verschwendung, von der Ausbeutung, von der Rohheit und der Brutalität bei den Großagrariern, die ihre Kühe und Pferde deutlich besser behandelten als ihr Dienstvolk. Dieses Buch, das in jeder Einzelheit wahr war, erregte einen Sturm der Wut gegen Aakjær, aber er stand aufrecht. …[1]

Das war nämlich das Große an diesem jütischen Dichter, dass, so zärtlich er sich des Schönen in der alten Zeit erinnerte, die die Zeit seiner Kindheit war, so zornig erinnerte er sich an das, was er an Bösem gesehen und erfahren hatte. Er vergaß nicht, woher er kam, und es waren keine leeren Worte, als er in seinem Kampflied für die Studentenvereinigung dichtete: ‚Vom Volk kommen wir, zum Volk gehen wir, sein Glück soll sein unser Gesetz‘. …

Es waren die Kleinbauern, die er liebte; sie setzten das ehrliche Bauernleben, das er mochte, fort. Er brachte einmal den Vorschlag, dass das ganze Land zur Landwirtschaft zu zwanzig Morgen aufgeteilt werden solle. So wäre man mit Gutsherren, Landeigentümern und Großbauern quitt, und es würde genügend Arbeit für die vielen starken Fäuste sein. ‚Nein, weg vom Privateigentumsrecht für Erde‘, sagte er – das war 1910 – ‚und hin zum kleinen Betrieb. Auf der kleinen Parzelle wird man ganz anders vertraut mit den Geheimnissen der Erde. Die zwei, Bauer und Erde, sollen zusammen wispern wie ein Paar Verliebter, und die Erde soll ihm verraten, wo ihr Reichtum verborgen liegt. Der Gutsbesitzer, der Pächter der Großerde, er ist wie einer, der seine Kuh mit dem Melkschemel prügelt um an die Milch zu gelangen. Raubbau, Großanbau mit seinem Maschinenhusten, dem Kohlenqualm und dem Verwalterknüppel, zum Teufel damit! Nein, die Kleinwirtschaft voran. Kleinwirtschaft, die Heimatliebe zeugt und einfache Bräuche, Kleinwirtschaft, die die Kühe an der Wange tätschelt und das kranke Lamm auf den Schoß nimmt!‘ …

Ein großer, starker, humanistischer Dichter war Jeppe Aakjær. Er hat beigetragen das Leben einer Generation zu prägen, und wir erinnern uns seiner mit Zuneigung. Seine schönen Gedichte, seine klangvolle jütische Sprache, summt in uns, sein aufrechter, stolzer Charakter ist uns ein Vorbild. Er wird nicht vergessen sein, solange die dänische Sprache und die Demokratie besteht.“

©Text und Übersetzungen Jörg Seidel

 

 

Literatur:

Hans Kirk: Jeppe Aakjær. In: Litteratur og tendens. Essays og artikler. København 1974. Seite 170 - 174



[1] Es soll nicht verschwiegen werden, dass Kirk dreißig Jahre zuvor, 1925, ganz anders über „Vredens Børn“ geschrieben hatte: „Dieses Buch, das seinerzeit großes Aufsehen und Entrüstung erregte – ist nun ganz unleserlich. Das Buch war so eng an ein bestimmtes, aktuelles Problem geknüpft, dass es seine Bedeutung verlor, als das Problem gelöst war.“ (Litteratur og tendens, S. 13)

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