Jakob Mathiassen: Beton (2011)

 

Dass der Kirksche Impuls auch heute noch fortlebt, beweist das außergewöhnliche Buch „Beton“ des Betonarbeiters und Schriftstellers Jakob Mathiassen. In diesem Romanbericht wird das Leben des Proletariers in heutiger Zeit erzählt und zwar an seiner exponiertesten Stelle. Was zu Kirks Zeiten die „Børster“, die Straßen- und Buhnenarbeiter waren, das sind heute die Betonarbeiter, Männer, die bei Wind und Wetter auf den Großbaustellen der Nation stehen und die von Platz zu Platz wechseln, wenn der neue Auftrag es verlangt. In harter, glasklarer, mit überraschend treffender Sprache, ganz unprätentiös, doch nicht ohne Humor, berichtet Mathiassen ohne Umschweife von den alten und neuen Probleme, dieser – wie er immer wieder sagt –, dieser „Daglejer“, „Tagelöhner“. Die uralten Konflikte sind die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sind die menschlichen Reibereien, archetypisch ist der raue Umgangston, aber auch der dahinter sich verbergende Humanismus. „En bajer“, ein Bier nach Feierabend gehört dazu und nicht selten auch der Exzess – wenn es eines Beweises der Authentizität des Typus Cilius bedurfte, dann wurde er hier erbracht und gerade die große historische Distanz spricht dafür. Durch Erfahrung bereichert, haben sich diese Männer ein besonderes Mitgefühl erarbeitet, einen Zusammenhalt – und sei er nur strategisch –, mit einem antiquiert wirkenden Wort, das Mathiassen ohne sichtbare Scheu gern nutzt: Solidarität. Auch 80 Jahre nach Kirks großen Romanen sind Gewerkschaften, Streik und Gemeinschaft wichtige Themen. Auch wenn nach außen vermieden wird, Gefühle zu zeigen, so schimmern sie doch überall durch die  grob-graue Fassade.

Aber die postmoderne Gesellschaft stellt auch neue Anforderungen: fernöstliche Immigranten müssen integriert werden, Polakker und Tysker – Polen und Deutsche – und mit ihnen muss mit Ängsten und Vorurteilen umgegangen werden. Moderne Lebensstile, offene Beziehungen, Geschwindigkeit, internationale Konkurrenz etc. kreieren Situationen, von denen Kirk nichts ahnen konnte.

Matthiassen arbeitet nicht zufällig als Mitarbeiter der traditionellen Zeitschrift „Arbejderen“, dem Organ der DKP – im Buch hält er sich freilich von politischen Äußerungen zurück.

©Text und Übersetzungen Jörg Seidel

 Beton

Literatur:

 Jakob Mathiasen: BETON. Historier fra skurvognen. Informations Forlag. København 2001

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